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Sprache

Pfingst-Apps

Nicht anders als durch Trunkenheit hervorgerufen konnten sich einige erklären,
was sich da vor ihren Augen, genauer gesagt: vor ihren Ohren abspielte.
Da redeten zwölf Männer, Apostel, „von den großen Taten Gottes“, und zwar so,
dass jeder Einzelne in der Menschenmenge sie in seiner eigenen Sprache predigen
hörte, was alle in Erstaunen und Verwirrung versetzte. Denn bei den Zuhörern
handelte es sich um Juden, die aus allen Teilen der damals bekannten Welt zum
jüdischen Wochenfest in Jerusalem zusammengekommen waren.

Sie stammten aus der Diaspora, in deren Völker sie aufgegangen waren und deren
Sprachen sie angenommen und von Kind auf gelernt hatten. Genannt werden (in der
Apostelgeschichte, aus deren zweitem Kapitel hier berichtet wird) Gebiete vornehmlich
aus dem östlichen Mittelmeerraum, darunter viele in der heutigen Türkei: Kappadokien,
Phrygien, Pamphylien (wo heute Antalya und Side liegen), im Norden Pontus am
Schwarzen Meer, im Westen Asia (Kleinasien) am Mittelmeer, im Osten das Partherreich
und Mesopotamien (heute der Irak), im nördlichen Afrika Ägypten und die Kyrenaika
(im heutigen Libyen gelegen) und einige weitere.

OV-GASTKOMMENTAR: NOTIZEN AUS DER SPRACHEBENE

Von Wilfried Kürschner

In den dort gesprochenen Sprachen also waren die Apostel zu vernehmen, allesamt
einfache Menschen aus Israel, einige aus Galiläa, deren Muttersprache das
Aramäische war, dieselbe Sprache, die auch Jesus sprach. Es waren nun keine
Dolmetscher zwischengeschaltet, die das Aramäische in die genannten „Fremdsprachen“ übertragen hätten.

In der Bibel wird das Sprach-Pfingstwunder vielmehr damit erklärt, dass die Apostel
„alle vom Heiligen Geist erfüllt wurden und begannen, in anderen Zungen zu reden, wie
ihnen der Geist zu sprechen eingab“.
Nicht jeder Heutige kann mit dieser Geschichte etwas anfangen und wendet sich
verständnislos ab. Da kommt es vielleicht gerade recht, dass in diesen Tagen, knapp
2000 Jahre nach dem Sprachenwunder, von einer Entwicklung berichtet werden kann,
die uns auf Anhieb nicht weniger wunderbar erscheint.

Für Handys mit Internetanschluss, Smartphones (das bekannteste ist wohl das iPhone),
gibt es bekanntlich mancherlei Zusatzprogramme, auch Apps genannt („Applikationen“
= Anwendungen). Seit kurzem sind nun Übersetzungs-Apps wie „iTranslate Voice“ und
„SayHi Translate“ für weniger als einen Euro zu haben. Sie bieten eine schon relativ
große Auswahl an Sprachen an (mehr als 20), die man paarweise zusammenstellt, zum
Beispiel Deutsch – australisches Englisch. Dann spricht man einen Satz, zum Beispiel
„Bringen Sie mir bitte ein Bier“, in das Handymikrofon. Nach wenigen Sekunden erscheint,
über das Internet aus Datenbanken abgefragt, dieser Satz in geschriebener Form
zur Kontrolle auf dem Display, danach die englische Übersetzung, „Please bring me a
beer“, gefolgt von dessen gesprochener Fassung in markantem australischem (wahlweise
auch britischem oder amerikanischem) Englisch. Man kann natürlich auch eine
Kombination wie Chinesisch – Japanisch eingeben und erhält bei klarer Aussprache den
chinesischen Satz mit chinesischen Schriftzeichen, danach den Satz in Japanisch, zuerst
in japanischer Schrift und dann in gesprochener Form.

Noch fehlen in den Apps zwar Sprachen wie Aramäisch, Phrygisch oder Latein, aber
vorstellbar wird das Pfingstwunder in zeitgemäßer Form des 21. Jahrhunderts: Die
Apostel sprechen, was sie zu sagen haben, auf Aramäisch in ihr mobiles Endgerät, und
der Jude aus Phrygien hört es in seiner Sprache und der aus Kappadokien in Kappadokisch.

In diesem Sinne: Frohe Pfingsten – Happy Pentecost – Bonne Pentecôte – Pentecoste
Felice – Lycklig Pingst … (Fehler gehen auf Kosten der Apps.)